War das dann also schon eine Liebesbeziehung? – Menschenbetrachtung nach A. Schaumann

Zehn Menschen zwei Stunden in einem Raum. 90 Minuten Workshop
“Menschenbetrachtung”
(inspiriert von Alexander Schaumann), diesmal “gehen”.

Wenn die Frucht der Liebesbeziehung Vertrauen ist und wir diese Frucht bei
der Menschenbetrachtung (unzweifelhaft) geerntet haben (vor allem das Modell),

war das dann also schon eine Liebesbeziehung?

Organisiert wurde diese erste Menschenbetrachtung im Institut für Gute Laune von der Autorin Uta Hauthal und T. Preibisch (Moderation)

Menschenbetrachtung gehen
Menschenbetrachtung nach Alexander Schaumann – Gehen

Erfahrungsbericht von Thomas Preibisch, Institut für Gute Laune, 19.01.2025 Dresden
Beginn
Begrüßung, Vorstellen und kurzes Beschreiben “Wir wollen einen Menschen betrachten und
schauen, ob wir gemeinsam mehr wahrnehmen können.”
Wer möchte sich beim Gehen betrachten lassen? Wer möchte Modell sein? Drei melden
sich sofort. Ich staune.
Zuerst gehen alle hintereinander im Kreis („achtet auf die Unterschiede beim Gehen, der
anderen”) Die Unterschiede sind überraschend deutlich. Alle total verschieden! lustig!
Nach und nach setzten sich welche hin, bis nur noch eine geht. Sie ist unser Modell. Sie
geht noch 3 Minuten alleine, der Rest schaut.
Ich frage: Was ist euch aufgefallen?
Schnell kommen einzelne Stichworte. Sicherer Gang, gleichmäßig, selbstbewusst unten, …
Es ist schwer, Worte zu finden. Ein Ringen um Worte auch mit den Armen. Bewertungen
und Urteile verbieten sich automatisch, aber manche scheinen sich auf die Zunge beißen zu
müssen. Manchmal ist es an der Grenze zum Urteil. Aus Unsicherheit wird gesagt: “Sie kann
das gut” “Sie hat vorher geübt…” Ich lasse das Model wieder ca. 3 Minuten gehen. Was ist
aufgefallen? Es geht nicht wie geschmiert, stockend, wiederholend, hilflos, was soll man
noch sagen?
Ich erkläre: „Wir wollen schauen, welches Wesen da geht.“ „Wie ist das Wesen so, das
den Körper bewegt?”
Das scheint zu helfen, jetzt verstehen einige besser, was das soll.
Ich frage nach den Beziehungen der Füße zum Boden. Frage nach Gesten, die das Wesen
macht. Die Beziehungen der Körperteile zueinander. Was macht der Kopf? Woher kommt
die Bewegung? Beziehung zum Raum. Vorne? Hinten? Nun fallen Beschreibungen wie:
“ES geht.“ Sie wird gezogen, in Brusthöhe. und zwischen den Schultern geschoben.
Der unbewegliche Kopf bestimmt die Bewegung. Die Füße gehen voran, der Körper folgt.
Manchmal zustimmen „ja, das erkenne ich auch“. Manchmal : “Das finde ich gar nicht.“
Es hat auf jeden Fall mehrere Ebenen und es wird verstanden, dass man nicht über richtig
und falsch der Wahrnehmung diskutieren kann.
Wieder gehen lassen und schauen. Neue Fragen.
Langsam äußert sich auch das Modell zum Austausch. Manchmal nickt sie und ist sehr
interessiert an den Ausführungen. Sie legt sich die flache Hand auf die Brust und sagt: „Ich merke, es macht etwas mit mir, aber es ist etwas
Positives!“ Ich staune.
Dann wieder 3 Minuten gehen lassen und schauen. Ich versuche die Gesten des
Wesens zu erkennen und diese in Gedanken zu überzeichnen, um so zu erkennen, was
nicht zu sehen ist. Schwierig. Bin ein bisschen überfordert mit Moderation, Raumhalten und
Schauen. Nun gehen die Beschreibungen langsam mehr zum Wesentlichen. Aber
kleckerweise, das meiste kommt von mir. „Das Wesen bietet sich dar…“ Es präsentiert
sich der Welt, aber ohne sich sofort herzuschenken. „Sicher, aber doch auch irgendwie
vorsichtig.“ Die Füße gehen voran, der Körper folgt zweifellos in den von den Füßen
erschlossenen sicheren Raum…
Wieder gehen und schauen.
Langsam wachen einige auf und freuen sich. Aber es geht nicht wie geschmiert. Dieses
urteilsfreie Beschreiben ist niemand gewohnt. Die spontanen Inspirationen müssen bei
jedem erst durch die “Kann man das aussprechen?” -Kontrolle … Das macht alles sehr träge
und stockend. Manche lassen es deswegen lieber sein, sich zu äußern. Nun kommen auch
abschweifende Erzählungen und Deutungsversuche zur Übung selbst. Ich merke, dass es
genug ist.
Nachbetrachtung
Wir fragen das Model, wie es ihr damit gegangen ist. “Ich habe die Blicke auf mir gespürt
und habe aber versucht, beim Gehen ganz bei mir zu bleiben.“ „Das war weder
unangenehm noch angenehm, aber deutlich zu spüren.” Sie sagt, das Gehen ist ihr bei
jedem Mal (5 oder 6 mal ca. 3 Minuten) leichter gefallen, weil sie nach den Besprechungen
immer mehr Vertrauen und dadurch Sicherheit gewonnen hat. Das Sprechen über ihr
Wesen hat sie als sehr interessant und angenehm empfunden. Vieles konnte sie für sich
bejahen. Sie meint, dass sie auch die Wesen jener erkennen konnte, die über ihr Wesen
gesprochen haben. Und um so mehr sie gesprochen haben, um so deutlicher waren diese
Wesen für sie zu erkennen. Sie meint, dass sie durch das wachsende Vertrauen das Gefühl
hatte, sich selbst immer mehr zeigen zu können. Das Model hat sich schließlich von allen
am begeistertsten und positivsten über das Ganze geäußert.
Ich habe dann noch von Goethe erzählt, der meint, dass sich das Wesen stets am meisten
in der Blüte zeigt und habe es auf unser Experiment bezogen so ausgedrückt: Das wir dem
Modell vielleicht ein kleines bisschen beim Aufblühen geholfen haben. Dies wurde allgemein
bejaht. Dieser poetische Ansatz hat bei unserer Einordnung sehr geholfen. Ich glaube die
Erweiterung der Menschenbetrachtung von A. Schauman, durch die Kunst wird in Zukunft
möglicherweise helfen können, das Unsagbare, Wesentliche besser auszudrücken.

Fazit
Insgesamt war meine Einschätzung danach so mittel. Kein Totalversagen, aber auch nicht
wirklich toll. Ich meine, dass vielleicht die Hälfte beim nächsten Mal wieder dabei sein
möchte. Mal sehen.
Heute morgen, nachdem ich darüber geschlafen und nachgedacht habe, bin ich aber total
begeistert. Ich habe als Forscher eine Entdeckung gemacht, die möglicherweise generell für
die Liebesbeziehung gelten könnte und die dann aber unglaubliche Möglichkeiten für die
Entwicklung der Sozialen Plastik mit sich bringt.
Wir können sagen, es ist uns durch den Workshop gelungen, einen Vertrauensraum
zu erschaffen. Besonders für das Modell. Poetisch: Es ist uns gelungen, einem Wesen
dabei zu helfen, ein bisschen zu erblühen. Und wir konnten sogar “Vertrauen” (als die
Frucht der Liebesbeziehung) ernten.
Das ist nichts besonderes, denn das gelingt fast jeder Liebesbeziehung. Das sensationelle
war aber: Ich, als der das Wesen beschreibende, war nicht der Streichelnde und auch nicht
der Lobende, sondern tatsächlich nur der Forschende.
Das bedeutet möglicherweise: Verschenkte Aufmerksamkeit, die auf reinem Interesse
am Wesen des anderen beruht, wird schon als Liebe empfunden und funktioniert
(nährt und heilt) so wie Liebe.

Wenn ich als Motor für die Soziale Plastik also einen “Mechanismus” oder Organ erfinden
möchte, das ständig Liebe produziert, so muss ich als Treibstoff für dieses Perpetuum amor
möglicherweise nicht einmal für gegenseitige Sympathie sorgen. Es reicht vielleicht schon
Neugier.
Auf jeden Fall muss weiter daran geforscht werden. Als nächstes stehen die
Menschenbetrachtung zum “Stehen” und zum “Blicken” an. Ich hoffe es finden sich wieder
ein paar Teilnehmer zusammen. Ich glaube, wir müssen den Raum aber auch nach und
nach mit den selben Personen schaffen. Feste Gruppen. Bis alle einmal Modell waren, eine
Runde rum. Dann haben wir erst eine wirklich zauberhafte Qualität in der Gruppe.
Vielleicht ist das dann schon ein kleines „Ich-Blüten-Wir“?
Bin gespannt, was damit dann geht.
Wer will beim nächsten Mal dabei sein?
Unverbindlich anmelden und Terminvorschläge erhalten unter: mail(ät)institutfuergutelaune.de

Erste Notizen/Gedanken von Thomas Preibisch zur Menschenbetrachtung am Morgen danach

Zur Autorin Uta Hauthal

zum Institut >>> www.institutfuergutelaune.de

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